Die vorliegenden Kompositionen des Hornisten Carl Oestreich zeigen, dass Bekanntheit nicht immer ein Indiz für qualitätsvolle Musik ist. Im Gegenzug ist die Unbekanntheit kein Beweis für das Gegenteil. Carl Wilhelm Eduard Oestreich wurde am 18. April 1800 in der Stadt Spremberg in der Niederlausitz geboren. Er war der älteste Sohn von Johann Carl Gottfried Oestreich, einem Stadtmusiker in Spremberg.
Seine musikalische Ausbildung auf dem Horn begann etwa im Jahr 1816 in Dresden bei Mitgliedern der Königlichen Hof-Kapelle. Möglicherweise wurden die Brüder Haase (August und Louis) aus diesem Orchester seine Lehrer. Später widmete er diesen beiden eine Komposition. Ab 1820 war er wahrscheinlich als Musiker im Theaterorchester in Frankfurt (Main) tätig. Ein früher Nachweis hierfür ist ein Eintrag auf einem Werk für Horn und Orchester.
Am 1. August 1824 meldete er sich in das Aufgebotsbuch der Stadt Frankfurt ein, wo er seinen Geburtsort und -datum angab. In diesem Dokument wurde er als Mitglied des örtlichen Theaterorchesters aufgeführt. Am 12. Oktober 1824 heiratete Oestreich, jedoch in seiner Geburtsstadt Spremberg. Schon im Jahr 1832 wurde er aufgrund einer Krankheit pensioniert und verstarb 1840 in Frankfurt.
Oestreich muss ein erfolgreicher Hornist gewesen sein, da sein Werk mit Kompositionen recht umfangreich ist. Darunter befinden sich immer wieder Werke für "seconde" Horn, also Stücke, in denen die Mittellage des Horns hauptsächlich genutzt wird. Von seinen Werken wurde jedoch nur sehr wenig gedruckt. Zum Beispiel erschienen allein 12 Trios für 3 Hörner beim Frankfurter Musikverlag Dunst um 1830.
Die vorliegenden Werke für 3 und 4 Hörner werden als Handschrift in der Musikabteilung der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek aufbewahrt. Die Hornquartette (Sign. Mus Hs 793) und Horntrios (Mus Hs 791 & Mus Hs 792) sind ein Beweis für Oestreichs Experimentierfreude und außergewöhnliche Erfahrung im Umgang mit dem Horn. Diese Werke entstanden zu einer Zeit, als sich das Ventilhorn allmählich gegen das ventillose Naturhorn durchsetzte.
Die Ventilinstrumente boten zwar eine durchgehende Chromatik, verloren jedoch an Klangfarbe und Ton im Vergleich zum Naturhorn. Einige Komponisten wandten jedoch den vermeintlichen Nachteil der Stopftontechnik, bei der man durch das Abdämpfen der Hand in der Stürze naturtonfremde Töne erzeugen kann, als Vorteil an. Mollpassagen wurden dadurch plastischer und sensibler dargestellt, Stopftöne wirkten im Forte zwar aggressiv und durchdringend, aber sie dominierten nicht die Lautstärke des Orchesters. Schumann und vor allem Brahms bevorzugten deshalb immer noch das Naturhorn und betrachteten das Ventilhorn sogar als "Blechgeige".
Es kann nicht eindeutig nachgewiesen werden, ob Carl Oestreichs Hornquartette und -trios für Ventilhorn oder Naturhorn gedacht waren. Sicher ist jedoch, dass Oestreich mit Sicherheit das Ventilhorn kannte. Eine Kritik der 12 Horntrios aus dem Jahr 1830 beschrieb sie als "außergewöhnlich schwierig und bestimmt leichter auf dem Ventilhorn zu spielen", was darauf hindeutet, dass sie für das Ventilhorn gedacht waren.